Wir haben bereits über die mündliche Verhandlung, die diesem Urteil unter dem 29.06.2021 vorausgegangen ist, berichtet. Nunmehr ist mit Urteil vom 13.07.2021 (Az. VI ZR 128/20) dasjenige festgestellt worden, was wir bereits vermutet haben.
Das vorangehende Urteil des OLG Koblenz, das vieles von dem beinhaltet, worauf sich der Hersteller immer wieder berufen hat, ist aufgehoben worden. Damit geht es jetzt endgültig nicht mehr nur um das sogenannte Thermofenster, das die Rechtsprechung überwiegend als nicht ausreichend für die geltend gemachten Schadensersatzansprüche ansieht.
Es geht jetzt vielmehr auch um die anderen vielfach vorgetragenen Abschalteinrichtungen, die von verschiedenen Klägern bis zu diesem Zeitpunkt vergeblich vorgetragen worden sind. Diesbezüglich hat sich der Hersteller bisher nicht geäußert und die Gerichte sind größtenteils davon ausgegangen, dass die Kläger hier beweisfällig geblieben sind, da sie das Vorhandensein dieser Abschalteinrichtungen nicht abschließend beweisen konnten. Nunmehr ist es aber so, dass der Hersteller sich zu diesen Vorhaltungen äußern muss, um nicht seinerseits beweisfällig zu bleiben. Dieses bringt den Hersteller natürlich dann in Schwierigkeiten, wenn solche Abschalteinrichtungen tatsächlich vorhanden sein sollten. Denn er kann sich dann nicht mehr darauf zurückziehen, dass alles in Ordnung sei und die Kläger das Gegenteil beweisen müssen. Der Hersteller muss jetzt Stellung beziehen, was mit Spannung erwartet wird.
Hintergrund ist die Annahme des Bundesgerichtshofes, dass es dem Kläger nicht zumutbar sei, die Abschalteinrichtungen im Detail zu beweisen. Schließlich -ihr Vorhandensein unterstellt- hat der Hersteller diese konstruiert und die alleinige vollumfängliche Übersicht über dasjenige, was im Fahrzeug verbaut ist. Daher könne es nicht richtig sein, dass der Kläger Sachverhalte beweisen müsse, die alleine der Hersteller vollständig kennen könne. Dies erscheint auch sachgemäß. Künftig wird es also ausreichend sein, schlüssig vorzutragen, dass solche Einrichtungen verbaut worden sind und entsprechende Anhaltspunkte beizubringen. Der Hersteller muss dann dazu Stellung beziehen.
Im vorliegenden Fall ging es um einen Mercedes-Benz der C-Klasse (C 220 CDI mit dem Dieselmotor OM 651) und der Einstufung in die Schadstoffklasse Euro 5. Zu diesem Fahrzeug liegt auch kein offizieller Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) vor. Klägerseits vorgetragen worden ist insbesondere die Abschalteinrichtung der sogenannten KühlmittelSolltemperatur-Regelung.
Prozessbeobachter gehen davon aus, dass dies die Erfolgsaussichten der Kläger erheblich verbessert. Die vielen weiteren Abschalteinrichtungen, die vielfach vorgetragen werden, werden nun genauer untersucht werden müssen (z.B. „Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung“, „Bit 15″, „Zeiterkennung“, „AdBlue-Einspritzstrategie“ oder „Slipguard“).
Nicht zuletzt ist damit auch das seitens des Herstellers vorgebrachte Argument, es läge kein offizieller Rückruf des KBA vor, entkräftet. Schließlich gibt es -wie im hier gegenständlichen Fall- eine Vielzahl von Fahrzeugen, für die eine sogenannte freiwillige Kundendienstmaßnahme vorgesehen ist und ein offizieller Rückruf gerade nicht vorliegt
Autor:
Bodo Winkler
Fachanwalt für Arbeitsrecht