Viele Erben sehen sich nach dem Erbfall Ansprüchen von enterbten Pflichtteilsberechtigten ausge-setzt, denen neben dem „reinen“ Pflichtteilsanspruch auch möglicherweise ein Pflichtteilser-gänzungsanspruch zusteht. Der in § 2325 BGB geregelte Pflichtteilsergänzungsanspruch sieht vor, dass Schenkungen des Erblassers, die dieser in den letzten zehn Jahren vor dem Erbfall Dritten zugewandt hat, dem Nachlass fiktiv hinzuzurechnen sind und dementsprechend den Nachlass und damit auch den sich daraus ergebenden Pflichtteil erhöhen.

Das OLG Naumburg hat in einer Entscheidung vom 04.08.2022 (Az.: 2 U 162/21) erneut deutlich gemacht, dass der Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 Abs. 1 BGB eine tatsächliche Schenkung im Sinne von  § 516 BGB voraussetzt, also eine Zuwendung, die den Empfänger aus dem Vermögen des Gebers bereichert und bei der beide darüber einig sind, dass sie unentgeltlich erfolgt. Danach liegt eine für einen Pflichtteilsergänzungsanspruch maßgebliche und den Fristenlauf des         § 2325 Abs. 3 S. 3 BGB auslösende Schenkung erst dann vor, wenn der Erblasser nicht nur seine Rechtsstellung als Eigentümer aufgibt, sondern auch darauf verzichtet, den verschenkten Gegen-stand im Wesentlichen weiterhin zu nutzen. Dies ist nicht der Fall, wenn eine unentgeltliche Grundstücksüberlassung unter dem Vorbehalt eines lebenslangen Wohnrechts des Erblassers bzw.     – im Falle seines Erstversterbens – seiner Ehefrau mit jeweiliger Pflegeverpflichtung und einer durch einen Rückübertragungsanspruch gesicherten Verpflichtung des Erwerbers erfolgt, das Grundstück zu Lebzeiten des Erblassers bzw. im Falle seines Erstversterbens bis zum Tode der Ehefrau nicht zu veräußern oder zu belasten.

Diese Entscheidung macht erneut deutlich, dass jeder, der sein Grundstück zu Lebzeiten im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an einen Dritten zu übertragen gedenkt, und sich dabei ein lebens-langes Wohnrecht oder Nießbrauchsrecht mit Rückübertragungsvorbehalt eintragen lässt, die Ansprüche möglicher Pflichtteilsberechtigter im Blick haben muss, um für seine Erben mögliche Pflichtteilsergänzungsansprüche zu vermeiden.

Informieren Sie sich rechtzeitig bei unserer Expertin für Erbrecht, Frau Rechtsanwältin Monika Brünger, über die Möglichkeiten der Vermeidung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen durch rechtzeitige und richtige vertragliche Gestaltungen zu Lebzeiten, bei denen auch der steuerliche Aspekt beleuchtet und berücksichtigt wird.

Autorin:
Monika Brünger
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht