Mit Urteil vom 12.03.2024, Az. VI ZR 280/22, stärkte der Bundesgerichtshof (BGH) die Rechte von Unfallgeschädigten:

Wer unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt war, kann den entstandenen Schaden gegenüber dem Unfallverursacher und dessen KFZ-Haftpflichtversicherer geltend machen.

Um die unfallbedingten Schäden beziffern und nachweisen zu können, ist regelmäßig die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich. In dem Gutachten hält der Sachverständige fest, wie hoch die Reparaturkosten voraussichtlich ausfallen werden, wie lange die Reparatur voraussichtlich dauern wird und ob das Fahrzeug nach dem Unfall noch fahrtauglich und verkehrssicher ist. Auch über eine nach erfolgter Reparatur zurückbleibende Wertminderung (sog. merkantile Wertminderung) und andere für die Regulierung wichtige Werte, wie den Wiederbeschaffungs- und den Restwert gibt das Schadengutachten Auskunft.

Die Kosten für die Erstellung eines solchen Gutachtens hat in der Regel der Unfallverursacher bzw. dessen Versicherer zu tragen.

Was in der Theorie einfach klingt, erweist sich in der Praxis leider häufig als große Herausforderung. Nicht wenige Versicherer versuchen die geltend gemachten Ansprüche mit allen Mitteln zu kürzen. Immer wieder werden auch Kürzungen bei den zu erstattenden Kosten für die Erstellung des Schadengutachtens vorgenommen. Unter Bezugnahme auf veraltete und teilweise aus dem Zusammenhang gerissene Urteile werden die zu erstattenden Kosten reduziert, teilweise auf einen Bruchteil des Rechnungsbetrages. Die Geschädigten bleiben ratlos zurück und müssen den Differenzbetrag zwischen der Rechnung des Sachverständigen und der regulierten Summe des Versicherers, teilweise mehrere hundert Euro, selbst bezahlen.

Tatsächlich waren die Kürzungen schon in der Vergangenheit vielfach rechtlich nicht haltbar. Nunmehr hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung noch einmal präzisiert und die Rechte der Geschädigten deutlich gestärkt. Denn mit dem o. g. Urteil entschied der BGH, dass die Grundsätze zum sog. Werkstattrisiko auch auf die Kosten für die Erstellung des Schadengutachtens zu übertragen sind.

Diese Grundsätze besagen, dass das Risiko einer unsachgemäßen oder zu teuren Reparatur der unfallbedingten Schäden beim Schädiger bzw. dessen Versicherer liegt. Meint dieser also, die Werkstatt habe zu viel abgerechnet – sei es durch überhöhte Kostenansätze, unsachgemäße oder abgerechnete, aber gar nicht durchgeführte Reparaturen -, dringt er damit nicht durch. Er muss die Rechnung trotzdem in voller Höhe ausgleichen. Denn der Geschädigte hat hier nur eingeschränkte Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten. Immerhin findet die Reparatur in einer fremden und vom Geschädigten nur schwerlich kontrollierbaren Einflusssphäre statt.

Nunmehr stellte der BGH fest, dass die gleiche Situation auch bei der Beauftragung eines Sachverständigen gegeben ist. Auch hier sind die Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten eingeschränkt. Daher werden die zum Werkstattrisiko entwickelten Grundsätze übertragen. Der Versicherer muss die Rechnung für die Erstellung des Schadengutachtens auch dann in voller Höhe ausgleichen, wenn der Sachverständige (angeblich) Maßnahmen abgerechnet hat, die – für den Geschädigten nicht erkennbar – in keinem Zusammenhang zu der Begutachtung des Unfalls stehen. Gleiches gilt für vermeintlich überhöhte Ansätze für Material und Arbeitslohn. Orientiert sich die Vergütung des Sachverständigen an der Höhe des Schadens und wird dieser (angeblich) zu hoch angesetzt, muss trotzdem der volle Rechnungsbetrag ausgeglichen werden.

Das gilt auch dann, wenn der Geschädigte die Rechnung des Sachverständigen noch gar nicht bezahlt hat.

Damit hat der BGH vielen gängigen Kürzungsmethoden den Zahn gezogen.

Wenn auch Sie unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt sind, unterstützen wir Sie gerne bei der Regulierung der Schäden!

Autor:
Julius Gartemann
Partner
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht