Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nunmehr erstmals zu diesem Thema über einem Mercedes-Benz verhandelt (Az. VI ZR 128/20), dies unter dem 29.06.2021.
Wie bereits von vielen Experten angenommen, sieht der BGH das sogenannte Thermofenster als nicht ausreichend zur Begründung einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB, die wiederum Voraussetzung für einen Schadenersatz vom Hersteller ist. Dieses wiederholt der Hersteller auch regelmäßig in der Öffentlichkeit, um den Eindruck zu erwecken, Klagen seien aussichtslos.
Der Bundesgerichtshof hat jedoch auf weitere Gesichtspunkte hingewiesen. Dabei geht es um andere Abschalteinrichtungen, die völlig unabhängig von dem Thermofenster bei einer Vielzahl von Modellen vorhanden sein sollen. Bezüglich dieser weiteren Manipulationen hat das Oberlandesgericht Koblenz den Vortrag des Klägers als nicht ausreichend erachtet. Dem scheint der BGH nunmehr entgegenzutreten. Prozessbeobachter gehen davon aus, dass der BGH das Verfahren an das Oberlandesgericht zurückverweisen wird mit der Begründung, dass den behaupteten Abschalteinrichtungen nachzugehen ist. Bisher musste sich der beklagte Konzern dazu nicht positionieren. Dies könnte sich nun ändern und zu einer grundsätzlichen Wende in diesen Diesel-Sachen führen. Hier scheint sich eine Parallele zu den VW-Verfahren abzuzeichnen. Dort galten die geltend gemachten Ansprüche eingangs auch als aussichtslos. Wie sich diese Sachen dann entwickelt haben, ist hinlänglich bekannt. Dort war ebenfalls eine Positionierung des BGH ein wesentlicher Meilenstein.
Es ist davon auszugehen, dass sich die Gerichte nunmehr mit den immer wieder vorgetragenen Abschalteinrichtungen auseinanderzusetzen haben. Dabei geht es insbesondere darum, ob die betroffenen Fahrzeuge über Einrichtungen verfügen, die erkennen, dass das Fahrzeug sich auf einen Prüfstand befindet und nur deswegen die Abgasaufbereitung optimieren, was im realen Straßenverkehr hingegen nicht der Fall ist. Stichworte sind hier beispielhaft „Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung“, „Bit 15″, „Zeiterkennung“, AdBlue-Einspritzstrategie“ oder „Slipguard“.
Autor:
Bodo Winkler
Fachanwalt für Arbeitsrecht